
Wie funktioniert Fortschritt beim Kickern? Wahrscheinlich kennt es jeder. Wenn man mit dem Kickern anfängt, hat man in kürzester Zeit einen Schuss und ein paar Pässe gelernt und kann schon bald gegen Kollegen und Freunde gewinnen, welche vor kurzem noch wesentlich besser waren als man selbst. Doch schon bald hat man das Gefühl, dass man auf der Stelle tritt und man nicht mehr wirklich besser wird. Man hat ein Plateau erreicht. Woran liegt das und wie kann man diesem Plateau entkommen?
Training als notwendige Voraussetzung
Um diese Frage zu beantworten, muss geklärt werden, wie der menschliche Körper neue Fertigkeiten lernt. Die Antwort kann auf das Wesentliche heruntergebrochen lauten:
Indem man sie übt.
Der menschliche Körper ist ein Anpassungsmechanismus. Egal ob man Muskeln trainieren, Sprachen lernen, ein Musikinstrument spielen oder einen Schuss beim Kickern lernen möchte. Wenn man dem Körper Aufgaben stellt, die er (noch) nicht bewältigen kann, dann passt er sich mit der Zeit diesen Anforderungen an. So lernt man, die Aufgaben zu bewältigen. Die erste notwendige Voraussetzung ist also Zeit, die man konstant in Training investiert. Nach Malcolm Gladwell muss man eine Fertigkeit 10.000 Stunden ausgeführt haben, um die höchsten Stufen der eigenen Fähigkeiten auszureizen.
„The key to world class expertise in any skill, is, to a large extent, a matter of practicing the correct way, for a total of around 10,000 hours.“
Die Form der Lernkurve
Als nächstes stellt sich die Frage, wie der Weg zu dieser höchsten Stufe oder Perfektion, wenn es so etwas gibt, aussieht. Dabei ist insbesondere das Verhältnis von aufgewendeter Zeit zur erzieltem Fortschritt interessant.
Kein linearer Fortschritt
Am schönsten wäre es natürlich, wenn sich der Fortschritt linear zur
aufgewendeten Zeit verhielte. Dann würde man für jede investierte Stunde Training also immer gleich viel besser werden. Das wäre insbesondere für die eigene Motivation super. Wenn man nach jeder Einheit den eigenen Fortschritt sieht, dann hat man viel weniger Probleme, sich selbst zu motivieren, als wenn man den Fortschritt nicht sofort sieht. Dass das nicht der Realität entspricht, ist allerdings leider auch jedem klar. Häufig hat man direkt nach dem Training oder nach einem Turnier das Gefühl, dort zu stehen, wo man am Anfang stand. Wenn dieses Gefühl über einen längeren Zeitraum anhält, dann wirkt sich das äußerst negativ auf die Motivation aus.
Lernsprints
Um zu verstehen, wie die Fortschrittskurve aussieht, kann man sich zurückerinnern, wie man Kickern gelernt hat. Am Anfang fiel es wahrscheinlich jedem schwer, den Ball überhaupt vernünftig zu klemmen. Den Ball kontrolliert von einer Puppe zur anderen laufen zu lassen, war undenkbar. Ich zumindest hab viele Versuche gebraucht und viel Zeit investiert und dabei hat wenig funktioniert. Doch irgendwann hat es dann klick gemacht. Als wenn jemand einen Hebel umgelegt hätte, konnte ich den Ball plötzlich auf der Stange halten und hin und her laufen lassen.
Bei den Pässen und Schüssen sah es ähnlich aus. Am Anfang konnte ich den Ball nicht fangen oder das Tor kaum treffen. Wieder waren viele erfolglose Versuche nötig, in denen scheinbar nichts passiert ist. Dann kam plötzlich wieder eine kurze Phase, in der ich einen bestimmten Schuss oder Pass regelmäßiger erfolgreich ausgeführt hab. Diese Momente könnte man als Lernsprints bezeichnen.
Plateaus
Danach kamen dann wieder die Phasen der Stagnation. Auf der Lernkurve sehen sie wie Plateaus aus, in denen man trotz aufgewendeter Zeit nichts Neues lernt. Doch da liegt wahrscheinlich der wesentliche Fehlschluss. Denn auch wenn man den Fortschritt nicht unmittelbar sieht, so ist es nicht so, dass man nichts Neues lernt. Vielmehr lernt der Körper bei jedem Fehlversuch die neue Fertigkeit. Er braucht jedoch seine Zeit, um die entsprechenden Informationen und Eindrücke zusammenzusetzen. Erst wenn er damit fertig ist, kommt es wieder zu einem Lernsprint.
Die Phasen, in denen man scheinbar auf der Stelle tritt, sind also wesentlicher Bestandteil vom Lernprozess und können nicht einfach übersprungen werden. Mit diesem Wissen fiel es mir viel leichter, mich zum Training zu motivieren. Ich wusste einfach, dass mein Körper wieder etwas gelernt hat. Auch wenn ich es in dem Moment vielleicht noch nicht sofort sehen konnte.
Der Weg zur Perfektion
Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass man um besser zu werden, Zeit investieren muss. Wenn man das Gefühl hat, dass man trotzdem nichts Neues dazu lernt, dann liegt das an der Art und Weise, wie der Körper lernt. Die meiste Zeit verbringen wir beim Lernen auf Plateaus, auf denen wir keinen Fortschritt merken. Doch kann man diesen Prozess leider nicht abkürzen. Vielmehr kann man mit voller Konzentration und Motivation das Plateau annehmen und sich schon auf den nächsten Lernsprint freuen.
An dieser Stelle sei aber auch gesagt, dass die Plateaus umso länger dauern und die Lernsprints umso kleiner sind, je besser man wird. Das ist zumindest mein Gefühl aus den vergangenen Jahren. Doch aus diesem Grund ist eben nicht jeder zweite Mensch weltklasse in irgendeiner Fertigkeit, sondern nur einige wenige.
Wenn ihr etwas tiefer in dieses Thema einsteigen wollt, kann ich das Buch Mastery von George Leonard sehr empfehlen. Wenn ihr das Gefühl habt, zu stagnieren und im Training nicht voranzukommen, könnte das genau das richtige für euch sein. Als kurzen Einstieg hab ich für euch eine Kurzbeschreibung verfasst.
Wenn ihr den Artikel interessant gefunden habt, ihr etwas gelernt habt oder der Artikel euch aus einem anderen Grund gefällt, dann teilt ihn gern mit euren Freunden. Bestimmt gefällt er ihnen genauso gut wie euch.
Schreibe einen Kommentar