Flow III – Wie handelt man im Flow?

In den letzten beiden Artikeln wurden die Voraussetzungen des Flow beschrieben und mit welchen Techniken man ihn erreichen kann. Heute dreht es sich um die Handlungen im Flow. Auf welche Bewusstseinszustände kann man im Flow zugreifen? Wie kann man seinen eigenen Matchplan im Flow umsetzen? Wie kann man sich selbst steuern? Dies sind zentrale Fragen des folgenden Artikels.

Bewusstseinszustände im Flow

Der Flow ist ein Zustand, welcher unheimliches Leistungspotential bietet. Die Konzentrationsfähigkeit ist überdurchschnittlich hoch, was zu schnelleren Reaktionen und besseren analytischen Fähigkeiten führen kann. Sicher habt ihr es schon beim Daddeln gegen einen Freund erlebt, dass ihr nach einer kurzen Einspielphase plötzlich fliegende Bälle gefangen habt, die euch selbst überrascht haben. Ihr wart vollkommen von dem Moment eingenommen und habt euren Körper gewissermaßen die Kontrolle überlassen. So wurdet ihr quasi von euch selbst überrascht. Genauso habt ihr es wahrscheinlich schon mal beim Block auf der 5 erlebt, dass ihr genau wusstet, was der Gegner als nächstes für einen Pass spielen wird. Vielleicht habt ihr ein Muster in den vorherigen Pässen erkannt oder ihr hattet ein sicheres Gefühl dafür, was der Gegner als nächstes tun wird.

Wie man aus diesen Zeilen herauslesen kann, ist der Flow ein Zustand, welcher sich auf verschiedenen Bewusstseinsebenen abspielen kann. Wenn ihr von euren eigenen Reaktionen überrascht werdet oder einem Gefühl vertraut, dann sind diese Vorgänge nicht wirklich rational erklärbar. Auf der anderen Seite kann es sein, dass ihr den Gegner durch ein zuvor erdachtes Blockmuster genau auf die richtige Lücke zwingt. Euer Verhalten beruht dabei auf rationalen Gedanken, welche also ebenfalls als Ressource im Flow zur Verfügung stehen.

Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass es mindestens zwei
Bewusstseinszustände im Flow gibt, mit welchen wir unseren Körper steuern können. Den einen könnte man als „intuitives Handeln“ und den anderen als „logisches Handeln“ bezeichnen. Zu einem gewissen Grad sind beide Zustände in jedem Spieler vorhanden. Allerdings lassen sich Spieler häufig eher dem einen oder dem anderen Lager zuordnen. Vielleicht habt ihr ja jetzt schon eine Idee, welches Handeln eher eurem naturell entspricht. Dabei gibt es kein besser oder schlechter. Vielmehr haben beide Zustände einzigartige Vorteile, welche man in verschiedenen Situationen einsetzen kann.

Intuitives Handeln

Zunächst kann man auf das intuitive Handeln näher eingehen. Dieser Bewusstseinszustand verschließt sich in meinen Augen weitestgehend einer rationalen Aufschlüsselung. Wenn man Spieler dieses Typs danach fragt, können sie meistens keine Begründung für ihr Handeln liefern. Sie haben einfach ihren Instinkten oder Gefühlen vertraut. Wenn man sich selbst beobachtet, kann man was gerade Geschehen ist auch nicht wirklich erklären. Man kann sich zwar irgendetwas ausdenken, um sein Handeln rückblickend rational erscheinen zu lassen. Allerdings kann man im Moment der Handlung meist nicht den Grund für seine Entscheidung oder sein Verhalten benennen. In diesem Zustand „macht man einfach“.

Der große Vorteil ist dabei, dass Eigenschaften wie Reaktionsgeschwindigkeit oder die Ausführungsqualität von Schüssen oder Pässen stark erhöht ist. Denn immer, wenn man darüber nachdenkt, warum man etwas tut, leidet die Umsetzung ein Stück weit. Wenn man also z.B. fliegende Bälle fangen will oder auf eine Shuffle-Deckung mit kleinen Lücken schießen muss, ist intuitives Handeln von Vorteil. Umgekehrt kann dieser Zustand einem auch zum Verhängnis werden. Reaktionen können durch Fakes ausgenutzt werden und ein Schuss kann noch so schnell sein, wenn die Lücke nie auf war, schießt man kein Tor.

Logisches Handeln

Der zweite Bewusstseinszustand greift auf die Fertigkeit des logischen Denkens zurück. Während eines Spiels sammelt man Informationen über den Gegner. Z.B. kann man ein Muster in der Passabfolge erkennen. Oder man erkennt zu welchem Zeitpunkt im Setup der Gegner sich für eine Lücke entscheidet. Man kann auch einfach technische Fehler beobachte und sein Spiel dementsprechend anpassen. An dieser Stelle könnte man einwenden, dass sich der Flow doch eigentlich dadurch kennzeichnet, dass absolut im Moment und damit frei von Gedanken ist. Allerdings schließt sich dies nicht zwingend gegenseitig aus. Entscheidend ist dabei meiner Ansicht nach die Art der Gedanken. Wenn man die Offensivaktionen des Gegners aufmerksam beobachtet, kann man dabei Informationen sammeln. Wenn man diese Informationen in Handlungsanweisungen für die Zukunft umwandelt, dann kann man bei der Umsetzung der Handlungsanweisung im Flow bleiben.

An einem einfachen Beispiel kann es Folgendes bedeuten. Nehmen wir an man beobachtet, dass der Gegner immer im Feld durchlegt, wenn man am Beginn seines Setups an der Bande stand. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der Gegner sich sehr früh für eine Lücke entscheidet und sich anschließend nur noch auf die Ausführung. Eine entsprechende Handlungsanweisung wäre also, am Anfang des Setups an der Bande stehen und anschließend nur noch auf den Pass zu warten, um einen kurzen Moment vorher im Feld zu stehen.

Die Umwandlung von Informationen zu zukünftigen Handlungsanweisungen kann uns durchaus aus dem Flow entfernen. Allerdings kann dieser Vorgang in den vielen kleinen Pausen während des Spiel durchgeführt werden. Unmittelbar nach einem Torerfolg oder wenn der Ball vom Tisch fliegt oder wenn der Gegner sein Setup gerade aufbaut oder man ein Timeout nimmt etc. Idealerweise wechselt man also zwischen rationalem Denken und logischen Handeln hin und her. So empfinde ich zumindest logisches Handeln im Flow.

Wie steuert man sich selbst im Flow

Nachdem die beiden Bewusstseinszustände vorgestellt wurden ist nun die Frage, wie man die eigenen Handlungen im Flow steuert. Dabei gehe ich zunächst auf den Grund für die konkrete Handlung ein und anschließend auf die Ausführung der Handlung selbst.

Gefühl/Intuition

Der Grund für einen bestimmten Schuss oder einen bestimmten Block ist je nach Bewusstseinszustand verschieden. Beim intuitiven Handeln entspringt der Grund meist einem nicht genau bestimmbaren Gefühl bzw. einer Intuition. Eine bestimmte Handlung fühlt sich in diesem Moment einfach richtig an, ohne dass man genau beschreiben könnte warum. Quelle dieses Gefühls oder dieser Intuition ist wahrscheinlich das eigene Unterbewusstsein. Jede bis dahin an einem Kickertisch gesammelte Information fließt in das Unterbewusstsein ein und führt dabei zu einer Verhaltensanpassung.

Wenn man z.B. auf eine Deckung guckt, dann kann man relativ schnell einschätzen, ob diese einfach oder unangenehm aussieht. Dabei hat man nicht bewusst die einzelnen Bewegungen der Puppen analysiert. Vielmehr greift man auf den Erfahrungsschatz des Unterbewusstseins zurück. Dort ist hinterlegt, ob man auf diese oder ähnlich aussehende Deckungen in der Vergangenheit gut getroffen hat, oder nicht. Genauso kann man fühlen, welcher Schuss am wahrscheinlichsten funktionieren wird. Diese Unterbewussten Entscheidungen sind immer schneller als bewusste rationale Entscheidungen. Darin liegt auch der große Vorteil von diesem Bewusstseinszustand. Gerade wenn es um Bruchteile von Sekunden geht, kann eine Entscheidungsfindung bzw. die darauffolgende Übersetzung den Unterschied ausmachen.

Handlungsanweisungen

Beim logischen Handeln funktioniert die Entscheidungsfindung auf einer anderen Ebene. Wie oben beschrieben greift man in erster Linie auf die konkret vorangegangene Spielsituation oder Informationen über den konkreten Gegner zurück. Zudem wird bewusst über die gesammelten Informationen und auf Grundlage von rationalen Erwägungen eine Entscheidung getroffen. Im Ergebnis steht eine unmittelbare Handlungsanweisung für die nächsten Bälle. Diese wird dann anschließend überprüft. Es geht also um das Aufstellen von Thesen, um konkrete Hindernisse oder Probleme im Spiel zu überwinden. Die Entscheidungsfindung ist dabei langsamer als beim intuitiven Handeln. Allerdings ist sie auch wesentlich flexibler. Wenn man nämlich bewusst aus wenigen Informationen seine Schlüsse zieht, dann kann man seine Handlungen einfacher anpassen, als wenn man unbewusst auf seinen gesamten bisherigen Erfahrungsschatz zurückgreift.

Es kann z.B. passieren, dass der Gegner euch immer wieder mit dem gleichen Fake von einer Lücke weglockt. Wenn ihr nur auf eure Intuition vertraut, wird eure Anpassung wesentlich länger dauern, als wenn ihr euch bewusst entscheidet, euch beim nächsten Mal anders zu bewegen. In dieser flexiblen Anpassungsfähigkeit liegt der Vorteil des logischen Handelns.

Visualisierung

Egal ob ihr aus Intuition oder aus einer rationalen Überlegung handeln wollt, euer Körper muss das geplante auch umsetzen. Dabei ist bisher aufgefallen, dass Visualisierung unheimlich hilfreich ist, um konkrete Handlungen auszuführen. Damit meine ich, dass man sich unmittelbar vor einem Pass oder einem Schuss die erfolgreiche Ausführung vorstellt. Bei den meisten Spielern ist das eine natürliche Verhaltensweise, wahrscheinlich habt ihr es bei euch also auch schon mal festgestellt.

Die Ausführung einer Aktion ist nach meiner Erfahrung nach der Visualisierung häufig viel besser, als wenn man sich z.B. konkrete technische Anweisungen auferlegt. Dies liegt wahrscheinlich daran, wie unser Körper Bewegungsabläufe lernt. Als Baby lernt ein Mensch z.B. das Laufen durch Nachahmung der Bewegungsabläufe von anderen Menschen. Deswegen haben Kinder häufig auch einen ähnlichen Gang wie ihre Eltern, weil sie im Zeitpunkt des Laufen Lernens mit diesen am meisten zu tun hatten. Dem Kind wurde nie technisch erklärt, wie es das Gewicht zu verlagern hat oder einen Fuß vor den anderen setzen soll.

Die Informationen die auf dem visuellen Weg übertragen werden, sind wesentlich präziser, umfangreicher und besser zu verarbeiten. Das kann man auch beobachten, nachdem man sich ein Spiel eines sehr guten Spielers angeguckt hat. Die Ausführung der eigenen Aktionen wird kurz danach besser sein, weil man unterbewusst versucht, das Spiel des besseren Spielers nachzuahmen. Genau nach diesem Prinzip funktioniert auch die Visualisierung. Stellt euch unmittelbar vor dem Pass oder Schuss eine saubere und schnelle Ausführung vor. Ihr werdet überrascht sein, wie viele technische Anweisungen man sich dadurch sparen kann.

Auch wenn man keine Lücke sieht

In diesem Zusammenhang passt auch die Beobachtung, dass man oft eine schlechtere Schussqualität hat, wenn man in der Deckung keine Lücke sieht. Wenn man nicht weiß wohin man schießen soll, dann fällt auch die Visualisierung dementsprechend schwerer. Darunter leidet die Ausführung. Als Trick kann man sich in einem solchen Moment kann man folgendes probieren. Guckt euch zunächst die Deckung an und versucht die Option zu finden, die am wahrscheinlichsten zum Erfolg führt. Wenn ihr euch entschieden habt, dann denkt euch bei der Visualisierung einfach die Puppen des Gegners weg. Stellt euch ein leeres Tor vor und visualisiert den Schuss auf die vorher ausgewählte Lücke. Alternativ kann man auch visualisieren, dass man voll auf die Puppe des Gegners schießt.

Erhöhte Reaktionsfähigkeit

Die Möglichkeit der Visualisierung funktioniert übrigens nicht nur bei offensiven Aktionen. Auch bei defensiven Aktionen bietet sie unheimliches Potential. Wenn ihr verteidigt, dann versucht zu erahnen, welche Option der Gegner ausführen wird. Wenn ihr den Gegner z.B. auf den Feldpass lockt und ihn konkret visualisiert, dann wird euer Gefühl für Timing und Gegenblock höher sein, als wenn ihr euch nur auf eure Bewegung konzentriert. Dadurch wird auch eure Reaktionsfähigkeit erhöht. Denn es fällt viel einfacher auf etwas Antizipiertes zu reagieren, als auf etwas Unerwartetes.

Schöpft euer volles Potential aus

Um ein wirklich guter Spieler zu werden, muss man sich meiner Ansicht nach beiden Bewusstseinszuständen bedienen können. Allerdings habt ihr euch unterbewusst wahrscheinlich schon verstärkt dem einen oder anderen Zustand zugeordnet. In diesem Zustand wird man sich regelmäßig wohler fühle und ihn auch einfacher erreichen. Allerdings man das eigene Spiel nicht dadurch beschränken, dass man sich überhaupt nicht mit dem anderen Zustand beschäftigt. Ich selbst fühle mich z.B. wesentlich wohler im Bereich des logischen Handelns als in dem Bereich des intuitiven Handelns. Doch wenn ich mich deswegen dem intuitiven Handeln verschließen, dann fehlt meinem Spiel eine wichtige Dimension.

Experimentiert also einfach mal mit den Zuständen. Spielt Rollerball oder ähnliche Modi, die intuitives Handeln provozieren. Umgekehrt könnt ihr euch auch mal zwingen ein ganzes Spiel lang den Gegner zu analysieren und nur auf Grundlage von eigenen Handlungsanweisungen zu Spielen. Wenn ihr es übt auf beide Bewusstseinszustände zuzugreifen, so könnt ihr dies am Ende auch im Spiel umsetzen. Wenn man mit seinem logischen Handeln in einem Spiel nicht weiterkommt, kann ein Ausflug ins intuitive Handeln einen wichtigen Ball oder sogar das Spiel gewinnen. Umgekehrt kann es natürlich genauso funktionieren.


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